Farnaz Seifi Portrait
Farnaz gehörte zu einer kleinen Gruppe von Pionierinnen, die 2003 als erste Frauen wagten, einen Blog in der iranischen Sprache Farsi zu eröffnen. Mit ihrem Blog «Amshaspandan» kritisierte sie das iranische Regime und die Unterdrückung der iranischen Frauen scharf. Denn mit der Machtübernahme Ayatollah Khomeinis 1979 hatten die persischen Frauen alle ihre Rechte verloren. Die damalige Studentin und Journalistin erzählte in ihrem Internet-Tagebuch schonungslos über ihren schwierigen Alltag als junge Frau in der Islamischen Republik. Sie lancierte damit eine Diskussions-Plattform für emanzipatorische Forderungen und persönliche Meinungsäusserungen.
Anfänglich schien im Iran die Freiheit im Internet grenzenlos zu sein. Die iranische Bloggerszene explodierte förmlich, wie in keinem anderen arabischen Land. Und obwohl das Mullah-Regime das Internet als Produkt westlicher Dekadenz verteufelte, entdeckte es bald selbst die Möglichkeit, das Internet für seine eigenen Interessen zu nutzen. Auch Präsident Mahmud Ahmadinedschad betreibt einen eigenen Blog.
Doch schon ein halbes Jahr nach der Eröffnung von Farnaz’ Blog, ging die iranische Regierung, als weltweit erste Staatsmacht, drastisch gegen nicht systemkonforme Blogger vor. Es kam zu Schliessungen von Blogs, Verhaftungen, Folterungen und Verurteilungen. Farnaz’ Blog wurde zensiert und bald darauf geschlossen. Die Frauenrechtsaktivistin war den Mullahs ein Dorn im Auge. Sie erhielt Todesdrohungen und man versuchte, sie auf jede erdenkliche Art einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen. Doch Farnaz gab nicht auf.
Sie war eines der Gründungsmitglieder der ersten iranischen Internet-Zeitschrift. Mit ihr erhielt eine breite Leserschaft erstmals Zugang zu Artikeln und Informationen über die iranische Frauenbewegung und gewann einen ganz neuen Blickwinkel auf die iranische Gesellschaft und ihre enormen Widersprüche. Doch die Zensurbehörden verboten die Herstellung des Magazins. Als Farnaz und ihre Kolleginnen sich nicht an das Verbot hielten, schlug das Regime zu. Auf dem Weg an einen Internet-Workshop in Indien wurde sie am Flughafen vor den Augen ihrer entsetzten Familie verhaftet und wie eine Schwerverbrecherin in Handschellen abgeführt. Farnaz wurde ins berüchtigte Folter-Gefängnis «Evin Prison» gebracht, aus dem viele Aktivistinnen und Aktivisten nie mehr lebend zurückgekehrt sind. Nächtelang wurde Farnaz mit verbundenen Augen in den Katakomben des Gefängnisses verhört. Die Hauptanklage waren ihre Blogtexte. Nach mehreren Tagen wurde sie gegen Hinterlegung einer hohen Kaution freigelassen und wegen Staatsgefährdung und Kooperation mit ausländischen Mächten angeklagt. Farnaz blieb einzig die Flucht.
Als Farnaz im dunklen «Manteaus», dem obligatorischen iranischen Ganzkörper-Umhang, im Frühling 2007 in Teheran in ein Flugzeug stieg, ahnte sie, dass das ein Abschied für immer sein könnte. Wenn Farnaz von diesem Tag erzählt, spürt man ihre grosse Traurigkeit über den Verlust ihrer Familie und ihrer Heimat.
Nach dem Abschluss ihres Studiums in Medienwissenschaft in Holland wurde die «Deutsche Welle» in Bonn auf die junge Iranerin aufmerksam – aufgrund Farnaz’ Engagements und ihrer profunden Kenntnisse der politischen und gesellschaftlichen Situation und der Nutzung des Internets im Iran. Sie setzten alles daran, sie als Produzentin des interaktiven Teams der «Deutschen Welle Persian» zu gewinnen. Seither lebt Farnaz Seifi in Bonn und hat bei der «Deutschen Welle» einige Mitstreiterinnen der iranischen Frauenrechts- und Bloggerinnen-Bewegung wieder angetroffen, mit denen sie schon im Iran für die Gleichstellung gekämpft hatte. In Bonn sind diese Freundinnen und Freunde für sie zu einem Stück Heimat geworden und helfen ihr gegen die Einsamkeit, die sie durch die jahrelange Trennung von ihrer Familie ständig begleitet.
Mit ihrem unermüdlichen Engagement im Exil versucht Farnaz die Situation der iranischen Bloggerinnen und Blogger zu verbessern. In enger Zusammenarbeit mit «Reporters sans frontières» in Paris kämpft sie für die vielen iranischen Blogger und Journalisten, die aus dem Iran fliehen mussten. Sie setzen sich gemeinsam auch gegen Verhaftungen, Folterungen und die drohende Hinrichtung von Dissidenten im Iran ein. Fast täglich gelangen Nachrichten über Verhaftungen per SMS, Skype oder E-Mail zu Farnaz. Die Strafen werden immer härter. Hunderte von Aktivisten und Aktivistinnen wurden eingesperrt, verurteilt und wegen ihrer emanzipatorischen Forderungen und ihres Kampfs für Menschenrechte mit langen Gefängnisstrafen bestraft. Noch nie wurden so viele Menschen im Iran hingerichtet wie 2011. Viele von ihnen sind junge Aktivistinnen und Aktivisten wie Farnaz Seifi.
Die Erinnerungen an die Gewalt, welche die demonstrierenden Iranerinnen und Iraner erlebten, als sie für Gerechtigkeit nach den von Ahmadinedschad manipulierten Wahlen demonstrierten, verfolgen Farnaz Tag und Nacht. Hilflos erlebte sie im Exil übers Internet mit, wie die über Facebook, Youtube und Twitter organisierte grösste Protestbewegung seit der Revolution 1979 blutig niedergeschlagen wurde. Und wie viele ihrer Freundinnen und Freunde verhaftet und umgebracht wurden. Die Bilder der mit dicken Knüppeln auf hilflose Demonstrantinnen einprügelnden Polizisten und der vielen Toten haben sich bei ihr ins Gedächtnis eingebrannt. Ihre ganzen Hoffnungen auf einen Wandel und eine mögliche Rückkehr in ihre Heimat zerschlugen sich von einem Moment zum anderen.
Im Exil ist das Internet zu ihrer virtuellen Heimat geworden. Doch Farnaz ist sich bewusst, wie riskant ihr Engagement auch für ihre Familie ist. Ihre Eltern in Teheran wurden schon mehrmals wegen den Internet-Aktivitäten ihrer Tochter bedroht und Repressionen ausgesetzt. Farnaz lebt in ständiger Angst um ihre Familie. Der Druck der Staatssicherheit wurde so gross, dass Farnaz ihren bekannten Blog schliessen und auf dem Internet in die Anonymität abtauchten musste. Für sie, die seit Anbeginn unter ihrem richtigen Namen bloggte und vom demokratischen Potential dieses Wagnisses überzeugt ist, war dies ein schwerer Schritt. Farnaz bloggt nun unter einem Pseudonym. Doch sie gibt trotz dieses Rückschlags nicht auf.
One Million Signatures Campaign
Farnaz Seifi